Dr. Toni Hildebrand (Kunstgeschichte, Universität Bern)
Daten: 11. Oktober, 15. November 2018, jeweils 14:15 – 18:00 Uhr
Ort: Unitobler, Lerchenweg 36, Raum F-114
ETCS: 2 (Pflichtbereich ICS / Wahlpflichtbereich GS und SLS)
Der zweiteilige Lektürekurs widmet sich Walter Benjamins Methode und einem Aspekt seiner Aktualität: Zum einen liefert er eine Einführung in Benjamins materialistischen Geschichtsbegriff und seine kritische Erkenntnistheorie; zum anderen wird Benjamins Hauptwerk, seine HabilitationsschriftDer Ursprung des deutschen Trauerspiels (1928), mit aktuellen Debatten zum Verhältnis von Natur und Geschichte in Verbindung gebracht. In der ersten Sitzung werden wir in einem Close Reading die «Erkenntniskritische Vorrede» des Trauerspielbuchs lesen; in der zweiten Sitzung, unter Zuhilfenahme eines Textes von Adorno, Benjamins «Idee der Naturgeschichte» erschliessen und mit aktuellen, historiographischen Debatten um das Anthropozän (Chakrabarty 2009), die für verschiedene Disziplinen von Interesse sein sollten, gegenlesen. Benjamins kritische Revision des Begriffs der «Naturgeschichte» liefert nicht nur eine historische Perspektive auf eine allgemeine Ökologie, sondern schärft ein Problembewusstsein über den Status von Katastrophen (vgl. das Begriffsfeld: «Allegorie», «Ruine», «ewige Vergängnis», «gefallene Natur»), deren Reichweite auch jenseits der historischen Problemlage des Trauerspielbuchs liegt. Wenn wir uns in diesem Sinne während der beiden Lektüretreffen zunächst primär an Benjamin orientieren, wäre es im zweiten Schritt das Ziel, im Austausch der Disziplinen auch die Neubestimmung des Verhältnisses von Natur und Geschichte zu diskutieren.
Lektüre zur Vorbereitung
Adorno, Theodor W.: «Die Idee der Naturgeschichte» [1932], in: Gesammelte Schriften,
Bd. 1: Philosophische Frühschriften, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, S. 345–365.
Benjamin, Walter: Der Ursprung des deutschen Trauerspiels [1928], Frankfurt am Main: Suhrkamp 1978, S. 9–40.
Chakrabarty, Dipesh: «The Climate of History: Four Theses», in: Critical Inquiry 35, 2 (2009), S. 197–222