Schlüsselkonzepte der Geistes- und Sozialwissenschaften - Figur

Figur

Donnerstag, 01.11.2012, 18:15 Uhr

Prof. Dr. Robert Stockhammer, Ludwig-Maximilians-Universität München

Öffentlicher Vortrag im Rahmen der Reihe Interdisziplinäre Vorlesungen und Kolloquien zu Schlüsselkonzepten der Geistes- und Sozialwissenschaften des Doktoratsprogramms Interdisciplinary Cultural Studies

Veranstaltende: Interdisciplinary Cultural Studies | Graduate School of the Humanities | Walter Benjamin Kolleg
Redner, Rednerin: Prof. Dr. Robert Stockhammer, Ludwig-Maximilians-Universität München
Datum: 01.11.2012
Uhrzeit: 18:15 - 19:45 Uhr
Ort: Raum F023
Unitobler
Lerchenweg 36
3012 Bern
Merkmale: Öffentlich
kostenlos

Figur

Aus dem riesigen semantischen Bereich dessen, was im Lateinischen figura (oder im Deutschen Figur) heißt, ragt die rhetorische Verwendung dieses Terminus als einer artifiziellen (kunstgerechten), sekundären Gestaltung der Rede heraus, "die abweicht von der allgemeinen und sich zunächst anbietenden Art und Weise [remota a communi et primum se offerente ratione]." (Quintilian, Institutio oratoria, IX 1, 4) Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist die Figur allerdings, wie Quintilian mehrfach ausdrücklich einräumt, nicht leicht vom Fehler (dem Barbarismos oder Solözismus) zu unterscheiden. Quintilian kann hier nur Ordnung stiften, indem er zugleich eine – uns heute selbstverständlich gewordene – Trennung zwischen der grammatischen und der rhetorischen Ebene der Sprach(analys)e einführt. Die beiden Ordnungen des Grammatischen und des Rhetorischen bauen aber nicht einfach aufeinander auf, sondern sind chiastisch ineinander verschränkt: Während die Abweichung von der "allgemeinen" Weise auf der Ebene der Rhetorik eine Tugend ist, ist sie auf derjenigen der Grammatik ein Fehler, und umgekehrt ist Nicht-Abweichung auf der rhetorischen Ebene ein Fehler, auf der grammatischen eine Tugend. Als Literaturwissenschaftler sind wir geneigt, uns auf die rhetorische Ebene zu beschränken, die Möglichkeit von 'fehlerhaften' Abweichungen also im Vorfeld auszuschließen und uns auf 'figurale' Abweichungen zu konzentrieren. In meinem Vortrag möchte ich jedoch zeigen, dass die Infragestellung der Grenze zwischen Figur und Fehler zu den Verfahren der Literatur gehört – zumal solcher literarischer Texte, die sich, wie etwa in Afrika entstandene, aber in europäischen Sprachen geschriebene, nicht leicht den Konventionen von Nationalliteraturen fügen.

Robert Stockhammer

Robert Stockhammer Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der LMU München (seit 2007), Sprecher des Graduiertenkollegs Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung, LMU (seit 2012). Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie anderer Philologien in München, Berlin und Salzburg; Promotion 1989 (Leseerzählungen. Alternativen zum hermeneutischen Verfahren, 1991) und Habilitation 1998 (Zaubertexte. Die Wiederkehr der Magie und die Literatur, 1880-1945, 2000). Tätigkeiten (u.a.) als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der FU Berlin, Forschungsdirektor am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin sowie als Gastprofessor in Frankfurt a. M. und Berlin. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Verhältnis von Globalisierung und Literatur, Mehrsprachigkeit, Literatur und Wissen(schaft), Geschichte der Grammatik. Weitere Buchmonographien: Ruanda. Über einen anderen Genozid schreiben (2005), Kartierung der Erde. Macht und Lust in Karten und Literatur (2007), 'Literatur', nach einem Genozid. Äußerungsakte, Äußerungsformen, Äußerungsdelikte (2010); (Mit-)Herausgeber von sechs Sammelbänden – darunter: Grenzwerte des Ästhetischen (2002); Exophonie. Anders-Sprachigkeit (in) der Literatur (2007) – und drei Anthologien.

Kolloquium Figur

Prof. Dr. Robert Stockhammer, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Arne Scheuermann, Hochschule der Künste Bern

Datum: 2. November 2012
Zeit: 09:15 - 16:30/17:45 Uhr
Ort: Universität Bern, UniS, Schanzeneckstrasse 1, Raum A027

Arne Scheuermann

Arne Scheuermann leitet seit 2005 den HKB Forschungs-schwerpunkt Kommunikationsdesign und ist seit April 2006 Professor für Designtheorie. Seine derzeitigen Forschungs-felder umfassen Design und Rhetorik sowie Kommunikations-design im Bereich Social Communication. Seine Veröffent-lichungen beinhalten Werke zur Design- und Filmtheorie (Auswahl): Design als Rhetorik. Grundlagen, Positionen, Fallstudien (2008, hrsg. mit G. Joost); Zur Theorie des Filmemachens. Flugzeugabstürze, Affekttechniken, Film als rhetorisches Design (2009); Neue Darstellungsformen. Künstlerische Forschung zu Führungsverständnissen im Krankenhaus (2011, hrsg. mit P. Berchtold). Arne Scheuermann führte Regie von Kurzspiel- und Experimental-filmen und erhielt diverse Auszeichnungen als Designer.