Modelle einer kulturellen Praxis und kulturwissenschaftlichen Analysekategorie
Die ungleichen und keineswegs glatten Verläufe der Globalisierung machen es immer dringlicher, Prozesse der Mediation, der Vermittlung, des Transfers und der Transformation im cultural encounter zwischen Gesellschaften, Religionen, sozialen Gruppen genauer in den Blick zu nehmen. Nicht zuletzt in diesem Kontext ist „Übersetzung“ in den letzten Jahren als eine wichtige soziale/kulturelle Praxis, aber auch als eine zentrale kultur- und sozialwissenschaftliche Analysekategorie entfaltet worden. Man kann sogar von einem „translational turn“ in den Kultur- und Sozialwissenschaften sprechen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass die Kategorie der Übersetzung inflatorisch verwendet und damit zu einer bloßen Metapher verkürzt wird. Daher gilt es Modelle des Übersetzens auszuarbeiten, mit denen die Übersetzungsperspektive konkretisiert werden kann: Übersetzung als Repräsentation, Übersetzung als Hybridisierung, Übersetzung als Dialog, aber auch Übersetzung als Adressatenmodell, als Korridormodell, als Stufen- und Spiralverfahren, als epistemologische Herausforderung usw.
Ausgehend von solchen präzisierenden Übersetzungsmodellen kann der Vortrag – mit Verweis auf konkrete Fallbeispiele – zeigen, wie in unterschiedlichen Disziplinen und Problemfeldern (Kunst, Menschenrechte, Umweltpolitik, Migration usw.) mit der Übersetzungskategorie gearbeitet werden kann. Ebenfalls soll gezeigt werden, wie gerade die Kategorie der Übersetzung in der Lage ist, jenseits der pauschalen Rede von Transkulturalität, Kulturdialog und intercultural encounter die dabei aktiven Interaktionsprozesse, Vermittlungsvorgänge, Kontextwechsel, Referenzbezüge usw. gleichsam mikroskopisch zu erschließen. Hierbei werden vor allem auch Brüche, Missverständnisse und Aushandlungsspannungen als produktive Übersetzungsdimensionen aufgewertet.
Doris Bachmann-Medick
Doris Bachmann-Medick, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, ist Permanent Senior Research Fellow am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an der Universität Gießen. Studium der Germanistik, Geographie, Kunstgeschichte und Philosophie. Gastprofessuren an der University of California, Los Angeles; University of Michigan, Ann Arbor; University of California, Irvine; University of Cincinnati; Universität Graz. Lehraufträge an der Universität Göttingen, Universität Potsdam, Viadrina Frankfurt (Oder), Freie Universität Berlin, Universität Zürich.
Arbeitsschwerpunkte: Kulturwissenschaften, Literarische Anthropologie, Kulturtheorie, kulturwissenschaftliche Übersetzungsforschung, Interkulturelle Kommunikation.
Kolloquium Übersetzung
Dr. Doris Bachmann-Medick, Universität Gießen
Prof. Dr. Thomas Claviez, Universität Bern
Special guest: Schriftsteller Francesco Micieli
Datum: 28.02.2014
Zeit: 09:15 - 16:30 Uhr
Ort: Universität Bern, Unitobler, Lerchenweg 36, Raum F-106
Thomas Claviez
Thomas Claviez was Assistant Professor for American Culture at the John F. Kennnedy-Institute, Berlin, from 1996 to 2002, taught American Literature at the University of Bielefeld in 2006, was Professor for American Studies at the University of Stavanger, Norway, from 2006-2009, and is currently Professor for Literary Theory and Director of the Center for Cultural Studies (CCS) at the University of Berne. He is the author of Grenzfälle: Mythos – Ideologie – American Studies (1998) and Aesthetics & Ethics: Moral Imagination from Aristotle to Levinas and from Uncle Tom’s Cabin to House Made of Dawn (2008). He is the co-editor of “Mirror Writing”: (Re-)Constructions of Native American Identity (2000, with Maria Moss), Theories of American Studies/Theories of American Culture, REAL-Band Nr. 19 (2003, with Winfried Fluck), Neo-Realism: Between Innovation and Continuation, special issue of Amerikastudien/American Studies (2004, with Maria Moss) and Aesthetic Transgressions: Modernity, Liberalism, and the Function of Literature (2006, with Ulla Haselstein and Sieglinde Lemke). He has published essays on Pragmatism, Ecology, American Studies, American literature, Ethics and Aesthetics, and Native American literature.
Francesco Micielis
Francesco Micielis Familie gehörte der albanischsprachigen Minderheit in Italien an. 1965 kam er mit seinen Eltern ins schweizerische Emmental. Francesco Micieli, der bereits seine Muttersprache, einen albanischen Dialekt und das Italienische beherrschte, lernte hier Deutsch und Schweizerdeutsch. Er besuchte eine Schule in Lützelflüh und ein Gymnasium in Burgdorf. Anschließend studierte er Romanistik und Germanistik an den Universitäten in Bern, Cosenza und Florenz. Dieses Studium schloss er 1982 mit dem Grad eines Lizenziaten der Philosophie ab und arbeitete als Assistent an der Universität Bern. Daneben wirkte er als Autor, Schauspieler und Regisseur an Bühnen in Solothurn und Burgdorf. Von 1992 bis 1999 hatte er einen Lehrauftrag der Schule für Gestaltung in Bern und Biel inne. Er lebt heute als freier Schriftsteller in Bern.